Bettagsmandat 2024

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News 12.09.2024

Bettagsmandat 2024

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Hätten Sie’s gewusst? Den eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag feiern wir immer am dritten Sonntag im September; er ist unser ältester eidgenössischer Feiertag. 1832 wurde er in der ganzen Schweiz zum Feiertag erklärt, erstmals begangen wurde er freilich bereits im Mittelalter. Der Bettag ist nicht allein konfessionell begründet, sondern auch staatspolitisch; er wird von allen Landeskirchen begangen und vereint Menschen mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen. Übrigens, auch der Schriftsteller Gottfried Keller, der als Staatsschreiber im Kanton Zürich arbeitete, hatte das Verfassen der Bettagsmandate in seinem Pflichtenheft und schrieb zahlreiche Texte für diesen Tag.

Ein Feiertag, der auf das Mittelalter zurückgeht – da fragt sich vielleicht der eine oder die andere, ob wir den wirklich noch brauchen. Schliesslich kann man jeden Tag danken für alles, was wir haben und beten oder Busse tun kann man auch immer. Wenn wir in die Welt schauen, stellen wir allerdings schnell fest: diesen Tag braucht es und wir tun gut daran, zu feiern, woran er unser erinnert. Der Bettag bekam nämlich immer dann grosse Aufmerksamkeit, wenn Zeiten der Not herrschten, Menschen etwas brauchten oder beitragen wollten. Während Pestzügen, Kriegen oder politischen Unruhen. Also immer dann, wenn es wichtig war, das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, solidarisch zu sein und gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. Es ist offensichtlich, dass die drängendsten Fragen unserer Zeit, die aktuellen Herausforderungen, nur dann gelöst werden können, wenn alle zusammen daran arbeiten.

Wir leben in einer Zeit, in der gemeinsame Werte eher in den Hintergrund geraten sind. Die vielen verschiedenen Lebensentwürfe, die heute möglich sind, lassen das, was uns allen gemeinsam ist, manchmal vergessen. Dabei ist es nicht allzu schwierig, in unserer von grosser individueller Freiheit geprägten Gesellschaft Dinge auszumachen, die uns verbinden. Wir alle schätzen es, in einem Land zu leben, das sich auszeichnet durch Sicherheit und Stabilität, und in dem wir die Wahl haben, unser Leben so zu gestalten, wie wir das möchten. Oft hören wir von den Unterschieden in der Gesellschaft, von dem, was uns trennt. Wenn wir aber genau hinschauen stellen wir fest, dass es neben der mehr oder weniger lauten Peripherie auch ein Zentrum gibt und dort, in der Mitte, bewegt sich viel, weil viele sich engagieren.

Mitten drin, neugierig auf das, was um sie herum passiert, sind all diejenigen, die mit einer Welt umgehen können, die uns und anderen viele Möglichkeiten und unterschiedliche Wege offenlässt. Mitten drin sind Menschen, die sich faktenbasiert mit Dingen auseinandersetzen können, die im ersten Moment nicht ihrer Meinung oder ihrem Denken entsprechen. Aus einem stabilen Zentrum heraus wird es einem möglich, vieles zuzulassen, ohne die eigene Überzeugung aufzugeben. Bildlich gesprochen: wenn wir uns auf ein Balancebrett stellen, machen wir viele kleine Bewegungen in alle Richtungen, um das Gleichgewicht zu halten. Das funktioniert bestens, denn viele kleine Bewegungen bedeuten Stabilität. Manchmal scheint es, Aufmerksamkeit bekommen nicht die Dinge, die uns alle verbinden und für alle wichtig sind, sondern vielmehr sind es die Extreme, die uns täg-lich in den Medien präsentiert werden.

Es gibt aktuell viele solcher Extreme: Kriege, den Klimawandel, Erdbeben, Vulkanausbrüche oder auch wirtschaftliche Herausforderungen. Genau hier finden wir den Grund dafür, warum der Dank-, Buss- und Bettag auch heute noch aktuell ist. Weil er uns daran erinnert, dass ein gutes Leben, egal wo auf dem Globus, für uns alle gewisse Grundbedingungen sicherstellen sollte, denn es sind die Gemeinsamkeiten, nicht die Extreme, die uns weiterbringen. Wir alle möchten in Frieden leben, ein Auskommen haben und auf nachhaltige Lebensgrundlagen zählen dürfen, die uns eine gute Lebensqualität ermöglichen, jetzt und in Zukunft. Dafür setzen wir uns gemeinsam ein und auch daran erinnert uns der Bettag: dass wir alle Teil dieser Welt sind und sie so gestalten können, dass diese Grundbedingungen für möglichst viele stimmen.

Albert Schweitzer sagte einst: «Gebete ändern die Welt nicht. Aber Gebete ändern die Menschen. Und die Menschen verändern die Welt». Wir haben es in der Hand. Indem wir über Dinge nachdenken, sie mit anderen besprechen oder eben auch beten, wägen wir ab, was wir unternehmen könnten um etwas zu verändern, zu verbessern. Der Bettag, der auf Notsituationen zurückgeht, fordert uns auf, genau das zu tun. Zu überlegen, wo wir etwas zum Guten verändern können und wie wir uns in die Gesellschaft einbringen. Die eine setzt den Schwerpunkt beim Klima, fährt mehr Velo, fliegt nicht mehr so oft oder ernährt sich vielleicht fleischlos. Der andere engagiert sich im sozialen Bereich und entscheidet sich dafür, eine Flüchtlingsfamilie aus der Ukraine aufzunehmen oder ist in der Freiwilligenarbeit unterwegs. Auch vermeintlich kleine Dinge sind wichtig: die Unterstützung von Nachbarn oder ein Anruf bei Familienangehörigen oder Bekannten, von denen man länger nichts gehört hat. Es gibt viele Möglichkeiten, eine Situation aktiv anzugehen und etwas zu verändern. Wir erinnern uns: viele kleine Bewegungen in alle Richtungen helfen, die Balance zu halten und nur dann gelingt auch ein fester Schritt nach vorne.

Lassen Sie uns den Buss- und Bettag feiern, indem wir innehalten und unsere vielen Verpflichtungen einmal ruhen lassen. Schauen wir in die Welt und auf unser Leben und überlegen wir, was wir tun können um etwas – und sei es vermeintlich noch so klein – zum Besseren zu wenden.

Im Namen des Regierungsrats

Isaac Reber
Regierungspräsident

Elisabeth Heer Dietrich
Landschreiberin
Erklärung Schweizerischer Rat der Religionen

Auch der Schweizerische Rat der Religionen hat zum Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht.