Show Hide Content
Zur Startseite

Novembertage – Zeichen der Verbundenheit und des Gemeinschaftssinns

09.11.2020

Gedanken und Aufruf von Kirchenratspräsident Pfarrer Christoph Herrmann

Landscape - landscape-5591270_1920

Dunkel ist es in den Novembertagen, feucht und kalt, unfreundlich und ungemütlich.
Der Alltagsleben verabschiedet sich aus dem öffentlichen Raum in die eigenen vier Wände.
Manche Seele ist belastet.
Das Kirchenjahr nimmt das Erleben der dunklen Jahreszeit auf.
Wir gedenken am letzten Sonntag des Kirchenjahres der Verstorbenen und bedenken die eigene Endlichkeit.
Diese kleine Passionszeit ist auch eine Zeit der Klage.
In diesem Jahr besonders.
Das Dunkle, das Unfreundliche und Ungemütliche hat sich durch die Coronakrise noch verstärkt.
Dass sich der Alltag in die eigenen vier Wände verschiebt, ist nicht nur durch die Witterung bedingt.
Dass die Seele belastet ist, ist nicht nur dem Wissen um die eigene Endlichkeit und der Erinnerung an die Menschen, die gestorben sind, geschuldet.
Manch eine ist verstummt.
Manch einer jammert.
Wir durchleiden schwierige und dunkle Zeiten, die auch zu unserer Wirklichkeit gehören.
Das Schwierige und Dunkle kennt manch eine und manch einer aus dem persönlichen Leben.
Als Teil des gesellschaftlichen Zusammenlebens kennen die meisten von uns diese Wirklichkeit nicht.
Einordnen lässt sich das nicht, was wir erleben.
Erklärungen greifen, aber greifen zu kurz.
Verschwörungstheorien werden entwickelt und bleiben haltlos.
Gedanken kreisen und kreisen und es ist schwer, beim Kreisen das Gleichgewicht zu halten.
Die Klage hilft die kreisenden Gedanken zu unterbrechen.
Die Klage ist in der Erfahrung des Glaubens das Gebet, das sensibel ist für das Leiden.
So nimmt in diesen Tagen die Klage das Dunkle der Angst auf, das Kranke in den Spitälern ausfüllt und Pflegende in ihrer Erschöpfung wahrnehmen.
Die Klage bringt die Einsamkeit zu Wort, der viele ausgesetzt sind, weil sie sich nicht mehr getrauen in Gesellschaft zu begeben und auf sich allein zurückgebunden sind.
Die Klage bekennt den Kleinmut, der auf keine Zukunft mehr hofft und sich mit dem Gefühl der Ohnmacht anfreunden will.
Die Klage spricht die Bitterkeit der Menschen aus, die ihre Arbeit verloren haben und sich fragen, wie sie finanziell über die Runden kommen sollen.
Die Klage unterbricht die kreisenden Gedanken, weil sie sich über das eigene Erleben hinaus an Gott als Gegenüber richtet.
Die Klage richtet sich an Gott, auch wenn die Klagenden Gott und das, was ihnen auferlegt worden ist, nicht verstehen können.
Die Klage weiss sich getragen von den Erfahrungen von früheren Generationen, die den Grund ihrer Klage und ihre Not beschrieben haben, die mit Gott gestritten und daran festgehalten haben, dass die Güte Gottes für sie wieder erfahrbar wird und die Not sich wendet.
Die Tage, die wir erleben, sind eine Zeit zum Klagen und zum Streiten mit Gott – und um miteinander Hoffnung zu teilen.

Das folgende Gebet nimmt die Klage auf:
«Gott, zu dir rufe ich hilf mir beten und meine Gedanken sammeln; ich kann es nicht allein In mir ist es finster, aber bei dir ist Licht ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe ich bin unruhig, aber bei dir ist Frieden in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist Geduld ich verstehe deine Wege nicht, aber du weisst den rechten Weg für mich.»
(Dietrich Bonhoeffer, Weihnachten 1943)

Mit diesen und auch anderen Worten können wir vor Gott treten und beten.

Ich möchte Sie herzlich dazu einladen, dass wir in diesen schweren Tagen das Zeichen der Verbundenheit und des Gemeinschaftssinns vom Frühling wieder setzen und jeden Abend ab 20 Uhr sichtbar für andere eine brennende Kerze vor ein Fenster unseres Zuhauses stellen.

Das Licht soll Zeichen sein für unsere Klage, die sensibel ist für das Leiden.

Das Licht soll Zeichen sein für unsere Verbundenheit mit durch das Virus Erkrankten, mit Sterbenden, Angehörigen und Menschen, die Angst haben.

Das Licht soll Zeichen sein für unsere Verbundenheit mit dem medizinischen Pflegepersonal, vor allem auch in Spitälern und Altersheimen.

Das Licht soll Zeichen sein für unsere Verbundenheit mit all den Menschen, die in Isolation oder Quarantäne in den eigenen vier Wände ihren Alltag bestehen müssen.

Das Licht soll Zeichen sein des Vertrauens, das wir Kraft, Geduld und Gelassenheit haben, um mit den vielen Herausforderungen einen Umgang zu finden.

Das Licht soll Zeichen sein für unsere Hoffnung für eine gute Zukunft, die im Wunder des Lebens seinen Grund hat.

Ich freue mich, wenn Sie diese Aktion in den kommenden Tagen und Wochen mittragen und besonders auch viele andere dazu einladen, dieses Zeichen der gesellschaftlichen Verbundenheit zu setzen.

Und vielleicht lassen sie ja in ihren Kirchgemeinden jeden Tag um 20 Uhr für einige Minuten die Kirchenglocken läuten, um die gesellschaftliche Verbundenheit auch auf diese Weise zum Ausdruck zu bringen.

Pfarrer Christoph Herrmann
Kirchenratspräsident
6. November 2020

2023 © Evangelisch-reformierte Kirche Basel-Landschaft +41 61 926 81 81

 
Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Mehr erfahren