Show Hide Content
Zur Startseite

SchöpfungsZeit: Überraschend heller Blick in die Zukunft

03.10.2022

Im September feiern die Kirchen schweiz- und weltweit die SchöpfungsZeit. Sie ist dem Gebet für die Erde und der Förderung eines nachhaltigen Lebensstils gewidmet. Dieses Jahr steht sie unter dem Thema „Höchste Zeit für die Schöpfung“. Seit einer halben Dekade findet die Impulsveranstaltung der Landeskirchen Aargau und Basel zur SchöpfungsZeit in Rheinfelden statt. Das war auch dieses Jahr der Fall.

Am Freitag, 23. September, zeitgleich mit den grossen Demonstrationen in diversen Schweizer Städten anlässlich des Klimastreiktags, versammelte sich im Garten der römisch-katholischen Kirche Rheinfelden eine Schar von etwa fünfzig Frauen und Männern. Die beiden jungen Magdener Grit Tzschichholz und Cyrill Campani vom Projekt „Klimafreunde“ führten durch den im Garten platzierten Klimaweg: Entlang von Informationstafeln ging der Pfad aus der nahen Vergangenheit in die Zukunft. Dass es „höchste Zeit für die Schöpfung“ ist, wurde aus den Ansprachen von Tzschichholz und Campani deutlich. Gleich zu Beginn, bei der Tafel zum Jahr 2020, machten sie deutlich: „Die Klimakrise und das weltweite Artensterben sind gegenwärtig die bedrohlichsten und am dringendsten zu lösenden Probleme der Menschheit“.

Doch die beiden zeigten nicht nur die Probleme auf und gaben den bedrohlichen Szenarien, die sich aus den Problemen ergeben, wenig Raum. Vielmehr wiesen Tzschichholz und Campani im Rückblick auf die letzten Jahre hin auf Hoffnungszeichen wie die „Fridays for Future“-Bewegung, Klima-Aktionspläne, Gemeinwohl-Ökonomie, Klimabildung als Teil des Lehrplans. Der Weg von Tafel zu Tafel in die Zukunft trübte die Stimmung keineswegs, im Gegenteil: Mit spürbarer Begeisterung skizzierten die beiden eine Welt, in der Verbote zwar durchaus ihre Bedeutung haben: keine Investitionen in Kohle-, Gas- und Ölprojekte. Keine fossilen Energien. Keine Steuererleichterungen für den Flugverkehr. Keine Kurzstreckenflüge. Keine synthetischen Pestizide usw. Doch nicht auf den Restriktionen lag das Gewicht, sondern auf dem, was dabei entsteht an Lebensqualität und neuen Lebensmöglichkeiten: Zugang zu gesunder Nahrung und sauberem Trinkwasser für alle, Kreislaufwirtschaft und dann auch, mit Humor: „Jedes Kind weiss, wie ein Rüebli wächst“, und mit Lebenslust: „Durch Gespräche, Musik, Tanz und Kunst verbinden wir uns, wir lachen und lieben“.

SchöpfungsZeit: Die Gruppe hört aufmerksam zu.

„Unverschämt grosse Träume“
Auf der Tafel am Ende der Dekade, im Jahr 2030 schliesst sich der Kreis: „Die Träume von heute“, heisst es dort, „kreieren die Welt von morgen“. Am Ende des Jahrzehnts werden wir gelernt haben, Visionen zu entwickeln, uns positive Geschichten über die Zukunft zu erzählen, „unverschämt grosse Träume“ zu träumen. Das werde „die radikalste Veränderung dieses Jahrzehnts“ sein. Und damit könne man heute schon beginnen.

Der zweite Teil – eine liturgische Feier in der Kirche – nahm in manchem Bezug auf den ersten: Die Kirche sei der Ur-Ort für Träume, sagte die römisch-katholische Seelsorgerin und Gastgeberin Monika Lauper bei der Begrüssung. Der Pfarrer der lokalen christkatholischen Kirchgemeinde, Peter Feenstra, betete für die „grossartige Schöpfung“: Dass wir ihre Schönheit sehen, uns als Teil von ihr wahrnehmen, ihre Unversehrtheit schützen. Daniel Frei, der Inhaber des reformierten Pfarramts für weltweite Kirche beider Basel, stellte einen Bezug her von den von Jahr zu Jahr fortschreitenden Klimatafeln zum Schöpfungsbericht am Anfang der Bibel mit seinen sieben Jahren.

Ein Glühwürmchen
Stephan Degen-Ballmer von der reformierten Landeskirche Aargau befasste sich in seiner Predigt mit dem Schwund der Artenvielfalt. Wann wir letztes Mal ein Glühwürmchen gesehen haben, fragte er eingangs. Diese seien tatsächlich am Aussterben. Er wies darauf hin, wie wir Menschen, zum Beispiel über den Verdauungstrakt, die Haut, die Atmung, in ständigem Austausch mit unserer Umgebung und unseren Mitwesen sind.

Weiter beleuchtete er den Artenverlust aus theologischer Sicht: Er verwies auf den biblischen Gedanken, dass Gottes Unendlichkeit in der endlichen Schöpfung als Vielfalt und zweckfreie, unverfügbare Schönheit zum Ausdruck komme. Die Ausführungen klangen nach in der wunderbaren Schöpfungshymne „Look at the World“ des zeitgenössischen britischen Komponisten John Rutter.

Schliesslich nahm Degen-Ballmer Bezug auf den tiefsinnigen Gedanken der jüdischen Theologie, dass Gott gerade nicht als Schöpfer und Schaffer vorzustellen sei. Sondern dass umgekehrt Gottes Rückzug, Selbstbeschränkung, Verringerung jenen Raum gab, in dem die Geschöpfe entstehen konnten. Diese Gottesvorstellung, folgerte Degen-Ballmer, gelte es auf uns Menschen zu übertragen: Es sei „höchste Zeit“ für uns Menschen, uns selbst zu beschränken zum Wohl der Schöpfung. Es gelte, zur Ruhe zu kommen, wie Gott zur Ruhe kommt am siebten Tag, dem Sabbat.

SchöpfungsZeit: Verschiedene Inputs bereichern den Anlass.
SchöpfungsZeit: Auch das Kulinarische kommt nicht zu kurz.
 

Schalom zum Sabbat
Da die Feier am Freitagabend stattfand, also dann, wenn im Judentum der Sabbat beginnt, sang ein Ad hoc-Chor unter der Leitung des jüdischen Pianisten Rani Orenstein das Lied, mit dem der Feiertag traditionell eröffnet wird: „Schalom alechem, Malachei haSchalom“, „Friede sei mit euch, ihr Engel des Friedens.“ Die Feier klang aus in einem wunderbaren „Nachtstück“ von Robert Schumann. Anschliessend gab es einen von der Yoya Pitabar in Basel ausgerichteten vegetarischen Apero mit Falafel, Humus und Baba Ghanush. Der israelisch-jüdische Inhaber des Restaurants, Jakob „Yacki“ Cohen, teilte uns im Nachhinein mit, dass der Apero offeriert sei, weil Rosh haSchana, das jüdische Neujahrsfest vor der Tür stehe. Das rundete einen Anlass ab, der einen insgesamt überraschend hell in die Zukunft blicken liess.

Text: Andreas Fischer ist reformierter Pfarrer in Kaiseraugst und Mitglied des ökumenischen Vorbereitungsteams der Impulsveranstaltung zur Schöpfungszeit.

2023 © Evangelisch-reformierte Kirche Basel-Landschaft +41 61 926 81 81

 
Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Mehr erfahren