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Die drei Baselbieter Landeskirchen lehnen die geplante Teilrevision des Sozialhilfegesetzes ab

26.05.2020

Gemeinsame Medienmitteilung der drei Baselbieter Landeskirchen. Die Landeskirchen gelangen in ihrer Analyse der Vernehmlassungsvorlage zur Teilrevision des Sozialhilfegesetzes zur Überzeugung, dass das geplante Konzept von übergrosser Komplexität ist und sozialhilfeabhängige Menschen in grösste Bedrängnis bringen würde.

Solidarität

Die Evangelisch-reformierte Kirche, die Römisch-katholische Landeskirche und die Christkatholische Landeskirche des Kantons Basel-Landschaft lehnen in einer gemeinsamen Stellungnahme die geplante Teilrevision des Sozialhilfegesetzes ab. Sie sehen es als ihren kirchlichen Auftrag, gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und ihre Stimmen kritisch dort einzubringen, wo es um wichtige Anliegen sozial schwacher Mitmenschen geht. Sie gelangen in ihrer Analyse der Vernehmlassungsvorlage zur Überzeugung, dass das geplante Konzept von übergrosser Komplexität ist und sozialhilfeabhängige Menschen in grösste Bedrängnis bringen würde. Die in der Vorlage enthaltenen positiven Aspekte können auch ohne dieses Konzept umgesetzt werden.  

Die Kirchen stehen seit jeher ganz speziell auf der Seite an den Rand gedrängter und ausgegrenzter Menschen sowie von Minderheiten. Es gehört zu ihrem Auftrag, gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und ihre Stimmen kritisch dort einzubringen, wo es um wichtige Anliegen sozial schwacher Mitmenschen geht. Dies hat die drei Baselbieter Landeskirchen dazu veranlasst, sich an der laufenden Vernehmlassung zur Teilrevision des Sozialhilfegesetzes zu beteiligen. Sie beziehen sich dabei auch auf die beinahe identischen Formulierungen in den Präambeln der Bundesverfassung und Baselbieter Kantonsverfassung. Beide Verfassungen verleihen im Namen Gottes des Allmächtigen bzw. eingedenk der Verantwortung vor Gott der Gewissheit Ausdruck, „dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen.“ Zu diesen Schwachen gehören zweifellos diejenigen Menschen, welche aufgrund verschiedenster nachteiliger Umstände ungewollt in den Kreis der Sozialhilfebeziehenden gelangen.

Eine Kernfrage des demokratischen Gemeinwesens
Der Umgang mit Armutsbetroffenen stellt eine der Kernfragen eines demokratischen Gemeinwesens dar. Mit der Armenpflege, später der Fürsorge und heute der Sozialhilfe wurde seit der Gründung der Eidgenossenschaft ein System der Armutsbekämpfung als Auffangnetz der sozialen Sicherheit geschaffen. Das heutige Sozialhilfesystem basiert auf einer christlichen Grundhaltung und orientiert sich an einem Menschenbild, welches beim Individuum a priori positive Eigenschaften und gewissenhaftes Handeln vermutet und voraussetzt. Dieses Menschenbild kommt schon im Buch des Propheten Jeremia zum Ausdruck, in dem es treffend heisst:

Wo ist jemand, wenn er fällt, der nicht gern wieder aufstünde? Wo ist jemand, wenn er irregeht, der nicht gern wieder zurechtkäme? (Jeremia 8,4)

Das mögliche Schicksal einer Sozialhilfeabhängigkeit betrifft nicht etwa eine Minderheit, sondern der Kreis virtuell direkt Betroffener macht einen grossen Teil der gesamten Kantonsbevölkerung aus. Armut und Arbeitslosigkeit kann nicht mehr allein als Klassenschicksal (Arbeiterschaft, Niedrigqualifizierte, Alleinerziehende) gedeutet werden, sondern reicht als Phänomen heutzutage in die Gesellschaft als Ganzes hinein.

Konzept der Grundpauschalen bringt Menschen in grösste Bedrängnis
Die drei Landeskirchen anerkennen die grosse und anspruchsvolle Arbeit, die mit der geplanten Teilrevision verbunden ist. Sie sind jedoch in sehr grosser Besorgnis über den geplanten Umgang mit den sozialhilfebedürftigen Einwohnerinnen und Einwohnern des Kantons. Insgesamt gelangen sie im Rahmen ihrer Analyse der Vernehmlassungsvorlage zur Überzeugung, dass

  • das geplante Konzept der Grundpauschalen von übergrosser Komplexität und nicht zielführend ist,
  • die Einführung und Umsetzung dieses Konzeptes sozialhilfeabhängige Menschen in grösste Bedrängnis bringen würde,
  • die in der Vorlage enthaltenen positiven Aspekte auch ohne dieses Konzept umgesetzt werden können und sollen.

Mit der geplanten Einführung von Grundpauschalstufen wird die Gefahr der Willkür in der Rechtsanwendung sozusagen vorprogrammiert. Das problematische Klassifizierungssystem der Grundpauschalstufen trifft auf ein dezentral organisiertes Vollzugssystem. Es ist davon auszugehen, dass es dadurch zu einer Überforderung wohl aller Beteiligten kommen wird. Damit ist weder den Sozialhilfebeziehenden noch den mit dem Vollzug beauftragten Mitarbeitenden gedient. So kann keine dem kantonalen Gemeinwesen angemessene Sozialpolitik betrieben werden.

Durch den Definitionsversuch verschiedener Stufen von Prekarität wird ein äusserst heikler Weg beschritten und werden bspw. langzeitarbeitslose Menschen zusätzlich disqualifiziert. Damit ist die grosse Gefahr verbunden, dass die Sozialhilfe als Errungenschaft des modernen Wohlfahrtsstaates zu einem System für Antrags- bzw. Bittstellende zurück entwickelt wird. Der Umgang mit Armutsbetroffenen mutiert zum komplizierten, die Menschenwürde tangierenden Qualifikationssystem. Die Langzeitfolgen des damit verbundenen Prozesses der Entsolidarisierung der Gesellschaft sind weder hinreichend untersucht noch absehbar.

Die Vorlage verfolgt mit der Verbesserung der Rahmenbedingungen der Integration im Grundsatz ein wichtiges Ziel. So steht bspw. das Konzept eines Assessmentcenters als kantonales Kompetenzzentrum für die Arbeitsmarktintegration aus Sicht der Landeskirchen nicht im direkten Zusammenhang mit der Einführung des Grundpauschalstufen-Modells und ist auch davon losgelöst funktionsfähig.

Die Evangelisch-reformierte Kirche, die Römisch-katholische Landeskirche und die Christkatholische Landeskirche des Kantons Basel-Landschaft bitten den Regierungsrat im Rahmen der Weiterbearbeitung der Landratsvorlage von der Einführung des geplanten Konzepts der Grundpauschalstufen abzusehen. Sie ersuchen konkret um den Verzicht auf die geplanten Änderungen in §§ 6 Absatz 1 und 2ter, 6bis und 43a Sozialhilfegesetz (Arbeitsversion).

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